Tarent von seiner Gründung bis zur römischen Eroberung

RUNDGÄNGE UND SAMMLUNGEN

Archaisches Tarent:
Mythos, Archäologie und Geschichte einer spartanischen Kolonie

Die Gründung von Tarent, der einzigen spartanischen Kolonie in der Magna Graecia, geht laut Tradition auf das Jahr 706 v. Chr. zurück.
Auslöser für die Besiedelung soll der Aufstand der Parthenier (der „Jungfrauensöhne“) gewesen sein, die in der Zeit des Krieges zwischen Sparta und Messenia unehelich gezeugt worden waren und den Wunsch hatten, volle politische Rechte zu erhalten: Um den Aufstand zu beenden, wurde mit Hilfe des Orakels von Delphi beschlossen, die Aufrührer nach Westen zu schicken, wo sie unter der Führung von Phalantos ein neues Zentrum gründeten.
Die spartanische Kolonie erhielt ihren Namen vom Fluss Taras und vom gleichnamigen Held, Sohn von Poseidon und der Nymphe Satyria, der auf den Münzen der Stadt auf einem Delfin reitend abgebildet ist.
Die archäologische Forschung hat den Zeitraum der Gründung bestätigt und gezeigt, dass die ursprüngliche Siedlung in der Gegend der heutigen Altstadt von Tarent gegen Ende des 8. Jahrhunderts v. Chr. leer stand. Es scheint, dass sich so die Prophezeiung aus dem Apollontempel in Delphi bewahrheitet hat, laut der Phalantus und sein Gefolge vor der Abfahrt den Auftrag erhalten hatten, ein „Geißel“ für die einheimische Bevölkerung Apuliens zu sein. Trotzdem mangelt es nicht an archäologischen Zeugnissen, die beweisen, dass es Beispiele von Integration und friedlichem Zusammenleben zwischen den beiden ethnischen Gruppen gegeben hat.

Münze aus der Münzprägestätte Tarent, 365-355 v. Chr.

Münze mit Delfinreiter

Die Dimension des Heiligen: Kulte und Heiligtümer in Tarent und Umgebung

Unser Wissen über Heiligtümer und Kulte des griechischen Tarents ist sehr lückenhaft und stützt sich vor allem auf Quellen, deren Herkunft nicht immer bekannt ist. Die wenigen architektonischen Überreste von heiligen Stätten wurden in der Nähe der Akropolis (Altstadt) entdeckt: der dorische Tempel an der Piazza Castello, eines der ersten Steingebäude des griechischen Westens (Anfang des 4. Jahrhunderts v. Chr.), und ein zweiter Tempel unter dem Kloster von San Domenico.

Eine typische Eigenschaft von Tarent ist es, dass nicht nur in Heiligtümern, sondern auch in den Nekropolen Figuren aufbewahrt wurden, die als Votive genutzt wurden: Gräben voller Gebildvotive, die oftmals männliche Figuren zeigen, die halb auf dem Bett liegend trinken oder von wirklich existierenden oder der Phantasie entsprungenen Tieren umgeben sind. Dies beweist, dass es Rituale gab, die mit Beerdigungen verbunden waren. Darüber hinaus wurde eine kleinere Anzahl von Lagerräumen mit Material entdeckt, das von lang anhaltenden religiösen Beziehungen zwischen Tarent und Sparta zeugt, die ab Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr. besonders deutlich zu erkennen sind.

Beispiele sind die als Weihgeschenke genutzten Tontafeln (Pinakes) sowie die Amphoren für Rituale, die mit dem Kult der Dioskuren verbunden sind – den Söhnen von Zeus und Zwillingsbrüdern, die in Sparta besonders verehrt wurden. Zu den heiligen Stätten der Region (des direkt von der Kolonie kontrollierten Gebietes) zählt Saturo, südöstlich von Tarent an der Küste gelegen: der heilige Bereich der so genannten Akropolis, die wahrscheinlich Athene gewidmet war, und das Heiligtum Santuario della Sorgente, dessen wichtigste Gottheit, wie auch in Sparta und in der Akropolis von Tarent, die Aphrodite Basilis (die Königin) war.

Liegende Figur auf Kline (Bett), Ende des 6. Jh. v. Chr.

Recumberte

Die Totenstadt:
Die Nekropolis von Tarent vom Archaismus bis zur griechischen Epoche

Der Historiker Polybius erzählte, dass die Menschen in Tarent eine merkwürdige Antwort erhielten, als sie das Orakel von Apollo nach ihrem Schicksal fragten: Die Stadt würde aufblühen, wenn ihre Einwohner es lernen würden, mit den „Zahlreicheren“, also den Toten, zusammenzuleben. Auf diese Weise versuchte man zu erklären, warum die Nekropolis nicht außerhalb der Stadt lag, wie es in der klassischen Welt üblich war, sondern auch mitten im Zentrum. In Wirklichkeit ist diese Situation im Laufe des 5. Jahrhunderts v. Chr. entstanden, als die Stadt sich vergrößerte und die Stadtmauern gebaut wurden.

Die gesamte archaische Epoche über lagen die Orte, die zur Beerdigung dienten, abseits von öffentlichen Bereichen und Wohngebieten. Bei den Gräbern handelte es sich meist um Gruben für die Erdbestattung, die in Tuffstein geschlagen und mit Platten bedeckt wurden. Im 4. Jh. v. Chr. verbreitete sich die Beerdigung in Sarkophagen. Im Falle von ausgewählten Gruppen, die nur aus Männern bestanden, die aus aristokratischen Verhältnissen stammten und Vertreter der Wettkampfkultur waren, konnten sich diese auch gemeinsam in imposanten Grabkammern befinden.

Ab Mitte des 5. Jh. v. Chr. entwickelte sich die Demokratie im politischen System immer weiter und es wurden Gesetze eingeführt, die jeglichen Luxus bei Bestattungen untersagen. Als Folge davon verbreitet sich die individuelle Bestattung im Sarkophag mit wenigen Beigaben. Grabkammern gewannen im späten 4. Jh. v. Chr. und im mittleren Zeitraum des Hellenismus wieder an Bedeutung, auch nachdem die Römer Tarent definitiv erobert hatten (209 v. Chr.): Nun entstanden unterirdische Familiengruften mit prachtvoll bemalten Möbeln und Steinsärgen, die überirdisch mit einem Denkmals gekrönt wurden, das manchmal die Form eines kleinen Tempels hatte (Naïskos).

Giebelelement aus Carparo-Tuffstein mit Persephone, die von Ade entführt wird, zweite Hälfte des 4. Jh. v. Chr.

Naiskos-Nekropole

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